Auftaktveranstaltung zum neuen Schwerpunkt

Veranstaltungsarchiv
© Katy Doppler

(Rechts-)Freie Räume? Wo patriarchale Machtverhältnisse spürbar und feministische Strategien notwendig werden.

In seinen Begrüßungsworten betonte Gastgeber und VHS Ottakring-Direktor Thomas Laimer die Bedeutung der Volkshochschulen als ein Raum emanzipatorischen Wirkens, welcher mit dem Anspruch, Bildung für alle zugänglich zu machen, gerade auch feministischen Bildungsangeboten immer einen großen Stellenwert gegeben hat und gibt.

Sandra Konstatzky, Vorsitzende des Vereins, griff dies in ihren eröffnenden Worten insofern auf, als auch sie die Wichtigkeit der Eroberung und Erhaltung von Freiräumen für Frauen* betonte. Ausgehend von einem aktuell verstärkt wahrnehmbaren Unbehagen, dass Freiheiten von Frauen* wieder zunehmend Angriffen unterliegen und Frauen* so auch aus dem öffentlichen Raum – sei es auf der Straße oder online – verdrängt werden, liegt es an uns, gemeinsam rechtliche sowie aktivistische Strategien zu entwickeln.

Im Eröffnungsvortrag charakterisierte Zita Küng, Genderexpertin und Schweizer Juristin, die Nutzung des öffentlichen Raums zum einen als nur rudimentär juristisch geregelt und zum anderen – als offenbar „beschränktes Gut“ – als immer umkämpft und von Faktoren wie Klasse oder Geschlecht abhängend. Kurzweilig schilderte sie dies anhand von konkreten Szenen aus Zürich – von den 1950er Jahren bis heute (Stichwort: „Panthermantel-Affäre“). Dabei wurde deutlich, dass ein aktivistisches Zusammenschließen von Frauen immer notwendig war und ist, um auf stattfindende Verdrängung von Frauen* zu reagieren, aber auch um die Eroberung (neuer) öffentlicher Räume zu ermöglichen. Auch Zita Küng konstatiert Versuche einer „patriarchalen Reinstitutionalisierung“: Während jede Einschränkung von Männer-Räumen sofort lautstark und effektiv moniert wird, müssen Frauen* bereits erkämpfte (Frei)Räume permanent aktiv verteidigen und sich nicht verdrängen lassen, damit es zu keinen Rückschritten kommt.

„Sobald Frauen keinen Bock mehr auf die Welt haben und sich in einer kleinen Welt einrichten, fehlt uns ihre Intelligenz, ihre Kritik, ihre Kreativität. Sorgen wir also dafür, dass wir unsere Lust auf die Welt wecken und erhalten. Das ist nicht einfach, aber notwendig. Für die ganze Welt.“(Zita Küng)

In der von Eva Pentz (Zeitschrift juridikum) moderierten Diskussion lieferten die Podiumsteilnehmerinnen anschließend ausgehend von ihren unterschiedlichen Expertisen eine Bestandsanalyse rund um die antifeministische Verdrängung von Frauen* und dem Umkämpfen von öffentlichen – realen wie digitalen – Räumen.

„Wir haben viele User, die verbringen den ganzen Tag nur damit, einer Frau nach der anderen auszurichten, was an ihrem Aussehen gut oder schlecht ist und was sie bitte sexuell tun soll oder nicht. Dadurch werden auch neue Normen geschaffen, die an sich schon aus vielen öffentlichen Räumen als vertrieben galten.“ (Ingrid Brodnig)

Ingrid Brodnig, Journalistin und Netzexpertin, machte deutlich, dass „das Internet“ kein neutraler Raum, frei von bestehenden gesellschaftlichen Machtverhältnissen ist. Gerade Frauen*, aber auch people of colour und Angehörige anderer gesellschaftlich nicht privilegierter Gruppen, werden besonders häufig Opfer gravierender, oft sexualisierter und diskriminierender Drohungen und Hassäußerungen. Die zu Beginn des „www“ bestehende Aufbruchsstimmung, dass aufgrund der nun möglichen anonymen weltweiten Kommunikation in Diskussionen nur noch „das bessere Argument“ zähle, hat sich daher nicht halten können. Dabei machte Ingrid Brodnig auf einen Grundfehler in dieser Herangehensweise aufmerksam: Warum soll eine Frau* erst dann in ihren Argumenten für voll genommen werden, wenn (online) niemand weiß, dass es sich um eine Frau* handelt?! Gerade unter dem Banner der „Meinungsfreiheit“ kommt es de facto oft zur Einschränkung von Frauen*, die ihre Meinung offenbar nur gegen zum Teil massive Sanktionierung äußern dürfen. Kritisch merkte Ingrid Brodnig auch an, dass politische Diskussionen zunehmend nicht im öffentlichen sondern eigentlich im privaten Raum, nämlich auf Großkonzernen gehörenden Plattformen und nach deren – oft intransparenten und nicht diskriminierungssensiblen – Spielregeln stattfinden.

„Meinungsfreiheit bedeutet nicht Narrenfreiheit“ (Muna Duzdar)

Staatssekretärin Muna Duzdar stellte die vor kurzem auf Ihre Initiative eingerichtete Meldestelle gegen Hass im Netz vor, welche neben Beratung auch der Dokumentation solcher Fälle dient und deren Anträge auf Löschung von Postings als „Trusted Flagger“ von Social Media Plattformen bevorzugt behandelt werden. Das Wahrnehmen des Internets als rechtsfreien Raum – hier dürfe scheinbar gesagt werden, was im realen Leben nicht gesagt werden dürfe – identifizierte sie als besonderes Problem, das auch einer Verantwortungsübernahme durch die Politik bedarf. Dabei warnte Muna Duzdar vor der gezielten Nutzung diverser Online-Plattformen durch politisch rechts stehende Gruppierungen, die durch ein oft besonders lautes und aggressives Auftreten auch suggerieren, mit ihren Ansichten besonders repräsentativ zu sein. Das Internet diene durch die virale Verbreitung von Fake News als „massiver Katalysator“ von Hass, da diese häufig als Wahrheiten angenommen und dahingehende Richtigstellungen kaum wahrgenommen würden. Aktuell soll eine Studie untersuchen, wie und in welchem Ausmaß Frauen von Hass im Netz betroffen  und welche Gegenschritte daraus ableitbar sind. Darüber hinaus kündigt Muna Duzdar an, sich für die Einrichtung einer Sonderstaatsanwaltschaft für Cyberkriminalität und Onlinehass einsetzen zu wollen. Ca. 90% aller Verhetzungen passieren beispielsweise mittlerweile online.

„Schlagfertigkeit beginnt mit der Bereitschaft, sich zu wehren.“ (Beatrix Beneder)

Beatrix Beneder, Sozialwissenschafterin und Kommunikationsberaterin, hat unter anderem zu einem klassischen öffentlichen Raum, nämlich dem Wirtshaus, aus Geschlechterperspektive geforscht. Sie stellte in der Diskussion fest, dass ein typisches Gasthaus zwar als Männerort bezeichnet werden kann, andererseits der/die WirtIn aber in der Funktion des/der Normenwächters/der Normenwächterin auch einen gewissen Schutz vor Übergriffen bieten kann. Demgegenüber sieht sie die moderne, oft hoch kommerzialisierte Gastronomie, die beim Personal zwar oft frauenlastig ist, dafür aber neue Ausschlüsse (u.a. finanzieller Natur) produziere und bei der weniger der Austausch als mehr der Konsum im Vordergrund stehe. Weibliches Bedienungspersonal zählt zudem zu den am stärksten von Belästigungen betroffenen Berufsbildern im öffentlichen Raum. Als Kommunikationstrainerin bietet Beatrix Beneder auch Schlagfertigkeitstrainings, u.a. speziell für Frauen*, an.

„Es gibt die ’schlechten‘ und die ‚guten‘ Opfer, was sehr relevant für das Ausfallen einer Entscheidung in einem Verfahren sein kann.“ (Barbara Steiner)

Rechtsanwältin und Vorstandsmitglied Barbara Steiner zeigte einige Lücken im bestehenden Rechtssystem bei der Durchsetzung der Rechte von Opfern von Gewalt und Drohungen auf. Zwar bestehen in Österreich relativ gute rechtliche Regelungen zu Opferschutz und Gewaltschutz, v.a. im Strafrecht, in der Praxis kommt es aber zu Umsetzungsproblemen. Dabei erweist sich unter anderem das Bild eines „idealtypischen Opfers“ oft als hinderlich, um Betroffene für glaubhaft zu befinden. Wer „Opfer“ ist und wer nicht (zu schwach? zu selbstbewusst? usw) wird dabei nicht zuletzt oft von Geschlechterstereotypen und auch rassistischen Zuschreibungen geprägt. Dennoch ist das Recht praktisches wie wichtiges Werkzeug für Opfer. Gerade das „Raum-Bekommen“ und das „Öffentlich-Machen“ der erfahrenen Gewalt ist dabei für viele Opfer wichtiger als eine Verurteilung des Täters/der Täterin.

Gemeinsam mit dem Publikum wurden dann noch weitere spannende Aspekte diskutiert und Erfahrungen betreffend erfolgreicher Strategien ausgetauscht. Deutlich wurde dabei die Unabdingbarkeit aktiver Frauenpolitik sowie des solidarischen Zusammenschlusses im virtuellen wie realen Leben – um der „patriarchalen Schwerkraft“ (© Zita Küng) aktiv und stetig etwas entgegen zu setzen.

Mit über 100 Teilnehmer_innen war die Veranstaltung nicht nur ein voller Erfolg, sondern zeigte auch, dass hier großer Bedarf an weiterem Erfahrungsaustausch, Diskussion und der gemeinsamen Entwicklung von Handlungsmöglichkeiten besteht. Daran möchte der Verein gerne anknüpfen und in kommenden Veranstaltungen und Stammtischen das Thema weiter bearbeiten und diskutieren. Details folgen!